Grußwort Januar

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Jahreslosung 2021 aus Lukas 6,36

Happy new year, liebe Gemeindegeschwister und liebe Leser,

happy? Was soll denn „happy“ sein bei diesem Jahreswechsel? Auch am 01.01.2021 wird Corona weiter unser Leben beeinflussen. Ich denke wir alle haben genug von Infektionszahlen, den Einschränkungen und sehnen uns danach, dass wieder eine gewisse Normalität einkehrt. Mal schauen, wie in dieser Hinsicht das neue Jahr wird. Und doch: Es gibt genug Gründe „happy“ bzw. glücklich zu sein. Wenn ihr eine Bibelkonkordanz (Wörterbuch) zur Hand nehmt und unter den Stichworten „Glück – Glücklich – Glückselig“ nachschaut, dann werdet ihr Überraschendes entdecken. Die Bibel definiert „Glück“ nicht als einen Zustand der Abwesenheit von Herausforderungen, sondern von einem Leben, das in Gott gegründet ist und durch das Gottes Geist wirken kann. Verdichtet ist dies insbesondere in den Seligpreisungen Jesu, die ihr in Matthäus 5,1-11 nachlesen könnt. In einem dieser Seligpreisungen heißt es: „Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren (Matth.5,7). So ähnlich formuliert es Jesus im Lukasevangelium. Diese Worte aus Lukas 6,36 wurden als Jahreslosung 2021 ausgewählt. Es ist ein Aufruf zur Barmherzigkeit, die ihren Bezugspunkt in Gott selbst hat. Weil er selbst barmherzig ist, lasst uns Barmherzigkeit leben. Auf den ersten Blick mag diese Jahreslosung eine nette christliche Aufforderung sein. Aber wenn wir genau hinschauen und es auf uns wirken lassen, werden wir wahrnehmen, dass in diesem kurzen Satz eine enorme Kraft liegt.

Was ist Barmherzigkeit? Biblische Barmherzigkeit meint ein tiefes Mitgefühl bzw. Mitleid, das aber nicht beim Empfinden bleibt, sondern daraus zu einer Haltung bzw. zur Handlung wird. Genau so kann man Gottes Herz beschreiben: Es ist ein Herz, das nicht aus einer Distanziertheit heraus regiert, sondern ein Herz, das mit dem Erleben von uns Menschen verwoben ist und mit uns leidet. Mehrmals lesen wir in den Evangelien davon, dass Jesus innerlich bewegt war (z.B. Markus 1,41+6,34+8,2). Wörtlich übersetzt heißt es, dass es Jesus „die Eingeweide umdrehte.“  Ihm ist es nicht egal, wenn Menschen leiden, Unrecht erfahren, hoffnungslos sind, in Selbstanklage gefangen sind, sondern es bewegt ihn zutiefst.

Zurück zur Jahreslosung: Wir selbst können letzten Endes nur dann Barmherzigkeit leben, wenn wir Barmherzigkeit von Gott her erfahren haben. Sonst wird es ein frommer Krampf. In den Versen, die sich der Jahreslosung anschließen, geht es um Richten bzw. gegenseitiges Verurteilen. Das ist genau das Gegenteil von Barmherzigkeit. Diese Welt wird sich nicht verändern durch Rechthaberei, sondern durch Menschen, die zwar nicht auf alles eine Antwort haben, die aber mitfühlend sind und aus dieser Haltung heraus anderen in Liebe dienen. Ich glaube sehr wohl, dass diese Jahreslosung exakt in diese Zeit hineinpasst. Sie rüttelt uns auf, unsere Energie nicht in fruchtlosen Diskussionen zu verlieren, sondern richtet unseren Blick auf den Gott allen Erbarmens, der uns in diese Welt hineinsendet, um diesem Erbarmen ein Gesicht zu geben.

In diesem Sinne: Seid gesegnet mit einem Jahr der erfahrenen und gelebten Barmherzigkeit!

Euer Günter Öhrlich