Nachlese Konzertlesung mit Arne Kopfermann

„Mitten aus dem Leben“ – „Wenn ein Sturm deine Welt aus den Angeln hebt“. Konzertlesung mit Arne Kopfermann

Mit gemischten Gefühlen bin ich mit meinem Mann zu dieser Veranstaltung gegangen. Was wird uns wohl Arne Kopfermann erzählen, der seine Tochter vor vier Jahren einen Tag vor ihrem elften Geburtstag durch einen selbst verschuldeten Verkehrsunfall verloren hat?

Arne Kopfermann, bekannter christlicher Musiker und Songwriter, gibt Anteil an seiner Geschichte, an der Geschichte seiner Familie. Er ist ein Mensch, der das Herz auf der Zunge trägt. Worte und Texte sind eine seiner Gaben – die er auch einsetzt, um seine Trauer zu verarbeiten. Er nimmt uns mit auf seinen ganz eigenen Weg der Trauer um sein „Mädchen“, seine Tochter Sara. Er will Worte finden und geben für schier unaussprechliches und unerträgliches; will Betroffenen, die das Leid und der Verlust „sprachlos“ gemacht hat, Worte leihen.

Gleich der Einstieg ist steil. Gutgemeinte Trostsätze wie „Die Zeit heilt alle Wunden“, „Wenigstens musste sie nicht leiden“, „Du musst loslassen“ von hilflos Außenstehenden  seien in so einer Situation Floskeln und belasten und verletzen die Betroffenen erst recht noch.

Arne Kopfermann erzählt so lebendig von Sara, auf der Leinwand Fotos von ihr, so dass es leicht ist sich die kleine „Dramaqueen“ vorzustellen. Diesen Spitznamen hatte sie in der Familie – sie war immer zu hören, spielte für ihr Leben gern Theater, am besten die Hauptrolle, und es war fast nicht möglich sie nicht zu mögen, so ihr Vater!

Darf man Gott anschreien als Vater, als Mutter, als Bruder, wenn dieses blühende Leben im Bruchteil einer Sekunde zu Ende ist? Es gibt 150 Psalmen in der Bibel, davon sind 65 Klagepsalmen! „Wer nie gelernt hat, gegenüber Gott seinen Schmerz zu artikulieren, wird in schweren Zeiten sprachlos sein.“

Den Verlust der Tochter empfindet er nicht als Wunde, die irgendwann verheilt, sondern als bleibenden Verlust: „Wir sind amputiert und werden immer mit dieser Lücke durchs Leben gehen. Alles andere wäre unrealistisch. Nie werde mit meiner Tochter auf dem Abi-Ball tanzen.“

Der Tod von Sara fordert ihn in seinem Glauben sehr heraus. Seit seinen Teenagerjahren lebte er in einer vertrauensvollen Verbundenheit mit Gott, dem Vater, mit Jesus Christus und dem Heiligen Geist. Die ersten zwei Jahre nach dem Verlust von Sara war die Beziehung zu Gott „kompliziert“. Überzeugungen wurden erschüttert, in Frage gestellt. Ehrlich benennt er diese Gedanken und Krisen. Und wie er Gott erlebt in diesen Situationen – wie er manche Sätze neu definieren muss. Und wie manches auch einfach erst mal unbeantwortet bleibt. Aber wie er trotzdem immer vertrauensvoll weiter gehen und weiterkämpfen kann. Wie erlebt, dass Gebet von Freunden durchträgt.

Jeder in der Familie hat seinen eigenen Weg mit der Trauer umzugehen. Die Mutter von Sara macht viel mit sich allein und ihrem Tagebuch aus, auch für den 14-jährigen Bruder Tim gerät seine Welt aus den Fugen.

Was können wir tun, wenn wir Menschen in Trauer beistehen wollen? Konkrete Angebote sind hilfreich: Eine Freundin rief an und sagt: „Ich würde euch gerne diese Woche was kochen. Ist es euch lieber am Mittwoch oder am Donnerstag?“ Und dann hat sie den Topf einfach an die Haustüre gestellt, um sich nicht aufzudrängen. Oder ein Nachbar hat den ersten Winter einfach den Gehweg von Familie Kopfermann mitgeschippt und so signalisiert „Wir sind da für euch!“ Am ehrlichsten sei es manchmal, zu sagen „Ich finde keine Worte“ und mit dem Trauernden zu schweigen – so wie die Freunde Hiobs.

Immer wieder zwischen den Stationen singt Arne Kopfermann mit seiner Band ein selbst geschriebenes Lied, oft sind die Lieder in den Trauersituationen entstanden.

Unter dem Titel „Mitten aus dem Leben“ gibt es ein Buch, ein Hörbuch und eine CD. Das Buch habe ich gelesen und kann es jedem empfehlen der sich weiter mit dem Thema Tod und Trauerverarbeitung befassen will. Es hilft, sich einzufühlen in Menschen, die von unsäglichem Leid durch den Tod eines nahen Angehörigen betroffen sind. Auch die Auseinandersetzung mit dem Glauben an einen guten Gott und Vater ist sehr intensiv, das wurde in der Lesung nur gestreift.

Zum Abschluss einen Ausschnitt aus dem Lied „Worte, die nichts kosten (Alles hat seine Zeit)“

Nein, du weißt nicht, wie ich mich gerade fühle

Nein, du hast nicht die leiseste Idee.

Das, was ich brauch, sind keine klugen Worte

Was du da sagst, tut meinem Herzen weh

Die ganze Welt stürzt über mir zusammen

Die Schritte schwer, die Seele tief verletzt

Ein Teil vom Leben wurde mir genommen

Und es gibt nichts, was ihn mir hier ersetzt

Alles hat seine Zeit

Das Schweigen und das Klagen

Die Trauer und der Schmerz

Oh, alles hat seine Zeit

Die Tränen und die Fragen

Die wir im Herzen tragen

Alles hat seine Zeit

Ja, alles hat seine Zeit

Susanne Plessing